Der Wanderer war über und über mit Lasten behangen. Ein schwerer Sandsack hing an seinem Rücken, um seinen Körper war ein dicker Wasserschlauch geschlungen. In der rechten Hand schleppte er einen unförmigen Stein, in der linken einen Geröllbrocken. Um seinen Hals baumelte an einem ausgefransten Strick ein alter Mühlstein. Rostige Ketten, an denen er schwere Gewichte durch den staubigen Sand schleifte, wanden sich um seine Fußgelenke. Auf dem Kopf balancierte der Mann einen halbfaulen Kürbis. Bei jedem Schritt, den er machte, klirrten die Ketten. Ächzend und stöhnend bewegte er sich Schritt für Schritt vorwärts, beklagte sein hartes Schicksal und die Müdigkeit, die ihn quälte. Auf seinem Wege begegnete ihm ein Bauer: Er fragte: „Oh, müder Wanderer, warum belastest du dich mit diesen Felsbrocken?“ „Zu dumm“ antwortete der Wanderer „aber ich hatte sie bisher nicht bemerkt“. Darauf warf er die Brocken weg und fühlte sich viel leichter. Wiederum kam ihm nach langer Wanderstrecke ein Bauer entgegen, der ich erkundigte: „ Sag, müder Wanderer, warum plagst du dich mit dem halbfaulen Kürbis auf dem Kopf und schleppst an Ketten so schwere Gewichte hinter dir her?“ Der Wanderer antwortete: „ Ich bin sehr froh, dass du mich darauf aufmerksam machst, ich habe nicht gewusst, was ich mir damit antue.“ Er schüttelte die Ketten ab und zerschmetterte den Kürbis im Straßengraben. Wieder fühlte er sich leichter. Doch je weiter er ging umso mehr begann er wieder zu leiden. Ein vom Feld kommender Bauer betrachtete den Wanderer erstaunt: „Guter Mann, du trägst Sand im Rucksack. Was du da in der Ferne siehst, ist mehr Sand als du jemals tragen könntest. Und wie groß ist dein Wasserschlauch – als wolltest du die Wüste Kawir durchwandern. Dabei fließt neben dir ein klarer Fluß, der deinen Weg begleiten wird.“ „Dank dir, jetzt merke ich, was ich mit mir herumgeschleppt habe.“ Mit diesen Worten riß der Wanderer den Wasserschlauch aufm dessen brackiges Wasser auf dem Weg versickerte, und füllte mit dem Sand ein Schlagloch. Sinnend stand er da und schaute in die untergehende Sonne. Die letzten Sonnenstrahlen schickten ihm die Erleuchtung: er blickte an sich herab, sah den schweren Mühlstein an seinem Hals und merkte plötzlich, dass der Stein es war, der ihn so bebückt gehen ließ. Er band ihn los und war ihn, soweit er konnte, den Fluß hinab. Frei von seinen Lasten wanderte er durch die Abendkühle, eine Herberge zu finden.
Die Geschichte vom Sand
Von seiner Quelle, in den fernen Bergen, floss ein Fluss durch verschiedenste
Landschaften und Gebiete, bis er zum Schluss den Sand der Wüste
erreichte. Er hatte schon so viele Hindernisse überwunden
und versuchte es jetzt auf die gleiche Art, doch als er in den Sand
strömte, versiegten seine Wasser.
Er war überzeugt, dass es sein Schicksal war, diese Wüste zu
durchqueren und doch sah er keinen Weg. Da flüsterte eine ver-
borgene Stimme, die von der Wüste selber kam: „ Der Wind über-
quert die Wüste, und der Strom kann es auch.“
Der Strom entgegnete, dass er sich ja dem Sand entgegenwarf
aber doch nur aufgesaugt wurde, und dass der Wind eine Wü-
ste nur deshalb überquerte, weil er fliegen könne.
„ Wenn du auf deine gewohnte Art voranstürzt, kannst Du`s
nicht schaffen. du wirst verschwinden, oder zu einem Sumpf
werden. Erlaube dem Wind, Dich zu Deinem Ziel zu tragen.“
„Wie kann das gehen?“ „Lass dich vom dem Wind auf-
heben.“
Diese Idee war dem Strom nicht geheuer. Schließlich war
er noch nie aufgehoben worden. Und, einmal abgegeben, würde er
sie je wiederbekommen?
„Der Wind,“ sagte der Sand, „erfüllt seine Aufgabe. Er
hebt das Wasser auf, trägt es über die Wüste, und lässt es dann wieder fallen. Und als Regen fällt das Wasser zur
Erde und wird wieder ein Fluss.“
„ Wie kann ich wissen, dass das Stimmt?“ „Es ist so, und
wenn du es nicht glaubst, kannst Du nur ein Sumpf wer-
den, und selbst das kann viele Jahre dauern; und es ist si-
cher nicht dasselbe, wie ein Strom zu sein.“
„Aber kann ich nicht derselbe Strom bleiben, der ich heute
bin?“ „Das kannst Du sowieso nicht bleiben,“ sagte das Flüstern. „Deine Essenz wird fortgetragen und wieder zu einem Strom gefügt. Du hast Deinen derzeitigen Namen auch nur weil Du nicht erinnertst, welcher Teil von Dir die Essenz ist.“
Als der Strom dies hörte, wurden in seinem Denken bestimmte Echos wach. Ganz schwach erinnerte er einen Zustand, in dem er – oder ein Teil von ihm vielleicht? – in den Armen des Windes gehalten wurde. Er erinnerte auch – oder etwa nicht? – dass es so richtig war, wenn auch vielleicht nicht offensichtlich.
Und der Strom hob seine Nebel den empfangenden Armen des Windes entgegen, die ihn sanft und leicht anhoben und davontrugen, und ihn dann, am Gipfel eines Berges, Meilen und Meilen entfernt, wieder fallen ließen.
Und weil er so seine Zweifel gehabt hatte, konnte der Strom die Einzelheiten dieser Erfahrung stärker und besser im Sinn behalten. Er überlegte: „Ja, nun habe ich meine wahre Identität erkannt.“
Der Strom lernt. Doch der Sand flüsterte: „ Ich weiß es, denn ich sehe es jeden Tag geschehen: und ich, der Sand erstrecke mich vom Flussufer bis hinauf zum Berg.“
Und deshalb wird gesagt, dass der Weg, den der Strom des Lebens nehmen wird, in den Sand geschrieben ist.
(Sufi)
„DIE HERAUSFORDERUNG
FÜR UNS ALLE HEUTZUTAGE BESTEHT DARIN;
UNSER LEBEN RADIKAL ZU AKZEPTIEREN
UND UNS MIT DEM ZU VERBINDEN;
WAS UNSERE INNERSTE NATUR IST.
STELL DIR SELBST DIE FRAGE:
WAS IN DIR MÖCHTE ERWACHEN?
WO IN DEINEM LEBEN IST DAS SAATKORN
DER LEBENDIGSTEN UND GRÖSSTEN FREUDE?
WER IST MIT DIR AUF DIESER REISE?“
(Richard Moss)
Dreißig Speichen teilen sich in die Narbe des Rades:
Das Loch in der Mitte macht es brauchbar.
Forme Ton zu einem Gefäß:
Der leere Raum darin macht es brauchbar.
Brich Türen und Fenster in ein Zimmer:
die Öffnungen machen es brauchbar.
Daher kommt der Vorteil aus dem, was ist;
Brauchbarkeit aus dem was nicht ist.
Laozi. Dao
de king
Mut zur Kreativität
„Der Mensch wird ständig hin- und hergerissen wischen dem Wunsch, in den Mutterleib zurückzukehren, dem Wunsch, ganz geboren zu werden.
Jeder Geburtsakt erfordert den Mut, etwas loszulassen, den Mutterleib aufzugeben, ihr Brust und ihren Schoß zu verlassen und die Mutterhände loszulassen, um schließlich auf alle Sicherheiten zu verzichten und sich nur noch auf eines zu verlassen; auf die eigenen Kräfte, die Dinge wirklich wahrzunehmen und auf sie zu antworten, das heißt auf die eigene Kreativität.
Kreativ sein heißt, den gesamten Lebensprozess als einen Geburtsprozess anzusehen und keine Stufe des Lebens als endgültig zu betrachten. die meisten Menschen sterben, bevor sie ganz geborgen sind. Kreativität bedeutet geboren werden, bevor man stirbt.
Erich Fromm
Rilke - Briefe an einen jungen Dichter
Da dürfen Sie, lieber Herr Kappus, nicht erschrecken, wenn eine Traurigkeit vor Ihnen sich aufhebt, so groß, wie sie noch keine gesehen haben; wenn eine Unruhe, wie Licht und Wolkenschatten, über Ihre Hände geht und über all Ihr Tun. sie müssen denken, dass etwas an Ihnen geschieht, dass das Leben Sie nicht vergessen hat, dass Sie in der Hand hält; es wird Sie nicht fallen lassen. Warum wollen Sie irgendeine Beunruhigung, irgendein Weh, irgendeine Schwermut von Ihrem Leben ausschließen, da Sie doch nicht wissen, was diese Zustände an Ihnen arbeiten? Warum wollen Sie sich mit der Frage verfolgen, woher das alles kommen mag und wohin es will? Da Sie doch wissen, dass Sie in den Übergängen sind, und nichts so sehr wünschten, als sich zu verwandeln. Wenn etwas von Ihren Vorgängen krankhaft ist, so bedenken Sie doch, dass die Krankheit das Mittel ist, mit dem ein Organismus sich von Fremdem befreut; da muß man ihm nur helfen, krank zu sein, seine ganze Krankheit zu haben und auszubrechen, denn das ist eine Fortschritt. In Ihnen, lieber Herr Kappus, geschieht jetzt so viel; Sie müssen geduldig sein wie ein Kranker und zuversichtlich wie ein Genesender; denn vielleicht sind Sie beides. Und mehr;: Sie sind auch der Arzt, der sich zu überwachen hat. Aber da gibt es in jeder Krankheit viele Tage, da der Arzt nichts tun kann als abwarten. Und das ist es, was Sie, soweit Sie Ihr Arzt sind jetzt vor allem tun müssen.
„Wir sind her, weil es
letztendlich kein Entrinnen vor
uns selbst gibt. Solange der
Mensch sich nicht selbst in den
Augen und Herzen seiner
Mitmenschen begegnet, ist er auf
der Flucht. Solange er nicht
zulässt, dass seine Mitmenschen an
seinem Innersten teilhaben, gibt
es für ihn keine Geborgenheit.
Solange er fürchtet,
durchschaut zu werden, kann er
weder sich selbst noch andere
erkennen – er wird allein sein. Wo
können wir einen solchen Spiegel
finden, wenn nicht in unserem
Nächsten. Hier in der
Gemeinschaft kann ein Mensch
erst richtig klar über sich werden
und sich nicht mehr als einen
Riesen seiner Träume oder den
Zwerg seiner Ängste sehen,
sondern als Mensch, der Teil eines
Ganzen – zu ihrem Wohl seinen
Beitrag leistet. In solchen Boden
können wir Wurzeln schlagen und
wachsen; nicht mehr allein – wie im
Tod – sondern lebendig als Mensch
unter Menschen.“
Richard Beauvais 1964
Nelson Mandela
Unsere tiefste Angst ist es nicht,
ungenügend zu sein.
Unsere tiefste Angst ist es,
dass wir über alle Maßen kraftvoll sind.
Ei ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,
was wir am meisten fürchten.
Wir fragen uns, wer bin ich denn,
um von mir zu glauben, dass ich brillant,
großartig, begabt und einzigartig bin?
Aber genau darum geht es, warum solltest du es nicht sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Dich klein zu machen nützt der Welt nicht.
Es zeugt nicht von Erleuchtung, sich zurückzunehmen,
nur damit sich andere Menschen um die herum
nicht verunsichert fühlen.
Wir alle sind aufgefordert, wie die Kinder zu strahlen.
Wir wurden geborgen, um die Herrlichkeit Gottes,
die in uns liegt, auf die Welt zu bringen.
Sie ist nicht in eineigen von uns,
sie ist in jedem.
Und indem wir unser eigenes Licht scheinen lassen,
geben wir anderen Menschen unbewusst die Erlaubnis
das Gleiche zu tun.
Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unser Dasein automatisch die anderen.